Drette Krestach in Irmgarteichen • Brauch seit mindestens 58 Jahren

Wie jedes Jahr trafen sich am gestrigen 27. Dezember die Junggesellen Irmgarteichens. Denn gestern war der in Irmgarteichen als „Drette Krestach“ seit Generationen gelebte Ehrentag, an dem die Missgeschicke, Peinlichkeiten und lustigen Geschichten der Bewohner in den „Schlachzeile on weldhistorische Ereichnisse“ von den „Hermedeicher Jonge“ teils in Hochdeutsch, teils in „Sejerlänner Platt“, manchmal übertrieben, oft mahnend oder satirisch vorgetragen und vertrieben werden: „Et is scho emmer so gewäse, um Drette Krestach wird vorgeläse“.

Die „Hermedeicher Jonge“, derzeit 20 Stück an der Zahl, darunter fünf neue, teilten sich in Gruppen auf: die Einen trugen die „Paragraphen“ an wichtigen Knotenpunkten des Dorfes und oftmals vor der Tür der betroffenen Person vor, die Anderen liefen durch den Ort und verteilten diese Aufzeichnungen gegen eine kleine Spende der Einwohner in Form von Geld oder Wurst.

Dreh- und Angelpunkt der diesjährigen Paragraphen war die „Wirtschaftskrise“. Im lokalen Kontext wird hiermit nicht die Finanzkrise, sondern der Brand des 350 Jahre alten Gasthof Ley gemeint, der einst das Zollhaus beherbergte, eine Gefangenenanstalt war, als Standesamt fungierte und eine Poststelle beinhaltete und später zum Gasthof umfunktioniert wurde: „Egal ob Oster- oder Weihnachtszeit, die Hermedeicher Jonge zu bewirtschaften wart ihr immer bereit“. Weitere Themen waren „Schwarzarbeit“, die hier jedoch als nächtliches Autowaschen mit geringem Erfolg verstanden wird sowie der „heilige Pfad Gottes“, die seit längerer Zeit defekte und gesperrte Kirchtreppe, die – nachdem sich weder Kirche noch Stadt zuständig fühlten – von Ortsbewohnern in Eigenregie repariert wurde.
Ein weitere Paragraph widmete sich den „Paparazzi in Irmgarteichen“, die Autofahrer eines mittlerweile laut Aussage der „Hermedeicher Jonge“ frei befahrbaren Wirtschaftsweges fotografierten. „Alarm für Cobra 112“, ein mehrfacher Autobrand, ein Küsterstreik, die umgebaute Schnellstraße durch Irmgarteichen sowie eine Bauernkrieg wurden auch literarisch behandelt.

Der Ausklang des Festes ist typischerweise im Gasthof Ley. Da dieser dieses Jahr aufgrund des noch laufenden Wiederaufbaus noch nicht zur Verfügung stand, wurde kurzerhand auf die Grillhütte ausgewichen. Hierzu wurden neben den ehemaligen „Jonge“ auch die Mädchen eingeladen, die sich mit den Junggesellen vergnügen sollten. Dieser althergebrachte Teil ist natürlich auch traditionell verankert: „Brengt Geld on vell gore Worscht herbie, on och ouw scherne on lewe Wieweslied. Da sin mer zerfrerre on os deret reiche, dät sin de Jonge fuu on zoo Hermedeiche!“

Text und Bild: Christian Reuter (www.irmgarteichen.net)
In modifizierter Form veröffentlicht in der Siegener Zeitung am 29.12.2008
 

Drette Krestach: „Wirtschaftskrise“ in Irmgarteichen

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